„Weihnachten foit heier aus“  oder

„Wie ein einfacher Schnupfen Corona ein Schnippchen schlug“

 

Heute muss ich eine Geschichte los werden, eine Geschichte, die von Krankheit, Maske, Test handelt. Du meinst, das hat bestimmt mit Corona zu tun. Und du glaubst es nicht: Ja, es hat mit Corona zu tun. Und Corona von der übelsten Sorte: opidoppelkorn, ach nee: Omikron. Und eine Maske, die in anderen Ländern gar nicht mehr notwendig ist. Bei uns schon, nämlich eine ffp2 Maske: Wofür steht ffp2 eigentlich: Für fünf Pfennig 2 (Stück) ? oder Für findige Politiker doppelt ergiebig? Oder ganz einfach: verdammt viel Bedarf (der Schreiber ist vielleicht Legastheniker?). Jedenfalls bin ich im Auto mit Maske gefahren. „Darf ich das eigentlich?“ , fragte ich. Gegenfrage:“Warum fragst du das?“ – „Nun ja, ich hab gehört, man muss Bußgeld bezahlen, wenn einen eine Polizeistreife mit Maske erwischt“ – „oder wenn man bei einer Radarkontrolle geblitzt wird, mit Maske, dann kann man den Fahrer nicht erkennen..“ Die sollen lieber schauen, dass sie das Virus mal erwischen! Dachte ich mir. Eigentlich kam ich mir blöd vor, im Auto zu sitzen mit einer Maske übers Gesicht. Nun ja, es war meine eigene Entscheidung, allerdings mit vehementer Mithilfe, sprich Aufforderung, meiner Frau, meine Fahrgäste zu schützen – vor meinem Schnupfen, den hatte ich tatsächlich die letzten beiden Tage, eine heftige Erkältung, mit Schmerzen in den Gesichtshöhlen, aber nur in der rechten Kopfhälfte: 2 Tage rechte Stirnhöhle, rechte Nasenhöhle, rechte Kiefernhöhle, und wenn ich Glück habe, die nächsten beiden Tage dasselbe links. Eine Niesattacke löste die andere ab, es schüttelte mich am ganzen Körper, die Augen schmerzten, Nase und Augen liefen und tränten. Gestern war es so, heute verspürte ich schon eine deutliche Besserung. Noch kein einziges Mal geniest. Das Testergebnis meines täglichen Corona-Schnelltestes war jedesmal negativ.

„Ich mach es“, sagte ich zu meiner Frau, „dann brauchst du nicht fahren. Vielleicht warte ich auch im Auto auf dem Parkplatz, anstatt ins Terminal zu gehen.“ – „Wenn es nicht zu kalt ist“. Da hatte sie wohl Recht. Es war ja schließlich Dezember, genauer gesagt der 23. Dezember, die Tage zuletzt mit starkem Frost und weiß überzuckerten Wiesen und Bäumen.

Das Internet sagte mir, dass der Flug 25 Minuten später ankommen würde. Also hatte ich noch etwas Zeit, setzte mich um dreiviertel ins Auto, nachdem ich vorher über Whatsapp geschrieben hatte, dass ich zeitlich etwas knapp plante, dass ich telefonisch erreichbar wäre, aber nicht mehr über WhatsApp, da ich ja auswärts kein Netz habe. Braucht man das, wenn man schon über 70 ist?

Die Fahrt nach und durch Freising ging zügig, auch von dort zum Terminal 2, wo die Lufthansamaschine landen sollte. Insgesamt war ich 25 Minuten unterwegs, bis ich in den Parkplatz einbog. Vor den Zufahrtsschranken parkten mehrere Autos, die die relativ hohen Parkgebühren vermeiden wollten. Die hatten sich wahrscheinlich abgesprochen, dass sie erst in das Flughafengelände einfahren würden, wenn ihre „Fahrgäste“ durch Passkontrolle und Gepäckausgabe durch wären. Mit funktionierendem Smartphone wäre es kein Problem, gebührenfrei den hauseigenen Shuttleservice auszuführen.

Auf der Hinfahrt war ich natürlich maskenlos. Erst als ich aus dem Auto ausstieg, setzte ich die Maske auf, immer wieder eine Herausforderung, wenn man gezwungen ist, Hörgeräte zu tragen. Noch schwieriger ist es jeweils, die Maske mit einer Hand abzunehmen, wenn man Hörgeräteträger ist. Ich war gerade durch die Drehtür bei der Ankunftshalle des Terminal 2 des Münchner Flughafen gekommen, als mein Handy klingelte. Mein Sohn am anderen Ende. „Wir sind jetzt gelandet, und warten auf unser Gepäck, es kann schon noch einige Zeit dauern, falls wir noch durch den Zoll müssen, sowieso“

Die Zeit kam mir nicht so lange vor. Ich schaue mir gerne die Menschen am Ankunftsbereich an. Irgendwie lenkt mich das ab, irgendwie macht mich das neugierig, wer alles auf seine oder ihre Lieben wartet, natürlich alle mit Maske. Am Boden hat man Markierungen, wo man stehen darf, um den notwendigen Abstand zu halten, aber kaum jemand hält sich dran. Vor mir steht ein Vater mit einem Mädchen, das vermutlich  blind ist oder anderweitig behindert. Es hüpft ständig um ihren Vater herum und schreit mit entsetzlich greller Stimme. Ein armes Kind, ein armer Vater, der mit bewundernswerter Ruhe dem Kind seine Aufmerksamkeit schenkt. Der große Bruder hat inzwischen einen Coffee-to-go gebracht. Vor mir stolziert eine nicht mehr so junge Dame mit entsetzlich hohen Highheels. Dass die damit überhaupt gehen kann! Auf den Monitoren gibt es die neuesten Nachrichtensplitter abwechselnd mit Reklamespots. Passagiere kommen aus Toronto, Paderborn, Warschau usw. Bei der Maschine aus New York steht schon seit 15 Minuten „luggage“, und jetzt sehe ich sie , meine Fahrgäste aus dem Touristenflugzeug aus Amerika, endlich durch die automatische Glastüre kommen. Natürlich mit Maske. Vorschrift.

Die ersten Worte zeigen mir, dass sie müde sind, nach fast 8 Stunden Flug, mit fast keinem Schlaf. Nach und nach kriege ich einen ersten Reisebericht, wie toll die Woche, die Vorweihnachtswoche in New York war, wie eindrucksvoll, wie erlebnisreich, kaum jemand sagte „Merry Christmas“, jeder wünschte nur „Happy Holiday“. Beeindruckt waren sie von der Disziplin der New Yorker vor Testzentren oder Restaurants: ohne irgendwelche Motzereien standen alle ruhig und geordnet in Schlangenlinie, ein Queuing, das man eigentlich von britischen Menschen kennt. „Billig ist es nicht!“ sagten sie und belegten es mit Essensrechnungen, wobei ich davon ausging, dass sie außer Fastfood ohnehin kaum was anderes verspeisten.

Damit waren wir beim Essen. Ich sagte:“ Wenn ihr mit reingeht, gibt es leckere Schnitzel und den besten Kartoffelsalat der Welt“. Die Begeisterung war nicht sehr groß. „Ehrlich gesagt“, meinten sie beide, „wir möchten eigentlich gleich weiter fahren, wir sind müde und haben noch eine Zweistundenfahrt vor uns.“

„Das kann ich schon verstehen“, meinte ich, und da bei uns zu Hause ohnehin der Schnupfenvirus sein Unwesen trieb, einigten wir uns auf eine Tasse Kaffee bei uns vor der Haustür. Das einzige Mal, dass ich die Maske abnahm, denn grundsätzlich wollte ich meinen Kurzbesuch ja nicht mit meinem Schnupfenvirus anstecken. Kurzer Toilettenbesuch, kurze Begutachtung unseres geschmückten Christbaumes , das übliche „Schaut guat aus“, dann Umladen des Gepäckes in das eigene Auto, ein etwas sperriges Weihnachtsgeschenk von mir dazu, das beim gemeinsamen Weihnachtsfeiern am 1. Feiertag keinen Platz im Auto finden würde, einen Kasten Festbier, sprich Weihnachtsbock, für den Jüngeren zu Hause, und ab ging es Richtung Heimat in den Bayrischen Wald nahe der tschechischen Grenze .

Richtig verhalten. Die beiden vor meiner Erkältung geschützt. Dafür lag am Nachmittag mein Weiberl flach. Niesattacken, Kopfschmerzen, Halsschmerzen. Irgendwie kam mir das bekannt vor, aber das war auch zu erwarten.

Weihnachten fiel dafür aus. Niemand wollte mit Verschnupften feiern. Kann ich aber voll verstehen.

Nur –  Weihnachten fiel auch am nächsten Tag aus. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich eine kurze Tour machen würde und die Geschenke ausfahren würde und dann möglichst schnell zu meiner  Liebsten, die eine entsetzliche Nacht hinter sich gehabt hatte, zurückkehren würde – ohne gemeinsame Bescherung, ohne gemeinsames Essen für 10 oder 12 Personen der Familie bei meiner Tochter, höchstens noch als Hilfe beim Punschkochen nach meinem legendären Rezept. Aber nur mit Maske. Ich wollte ja niemanden anstecken.

Stundenlang hatte ich meine persönlichen Briefe geschrieben, handschriftlich, eine schon jahrzehntelange Tradition, die ich aufrecht erhielt. Je ein Brief an meine drei Kinder, ein Schwiegersohn, eine Schwiegertochter und drei Enkelkinder.

Ich war gerade dabei die Geschenke zu sortieren und in das Auto zu tragen, als das Telefon läutete. Am anderen Ende mein Sohn mit geknickter Stimme. „Alles ist anders. Wir kommen alle nicht. R. ist positiv. (R. ist seine Mutter, meine Ex-Frau, mit der er die Woche in New York war. Am Tag vorher noch in meinem Auto  – positiv).  Wir haben Schnelltests gemacht, bevor wir wegfahren wollten, und R. ist positiv. Wir müssen alles absagen!“

 

Ja Gott sei Dank! haben wir Masken getragen, als ich sie vom Flughafen abholte. Ich wollte sie schützen. Und nun hat es mich geschützt.

Egal, was die Bestimmungen sind, egal was Beschränkungen notwendig sein werden: ich bin mir ziemlich sicher, dass das Virus auch bei mir im Auto war, aber mich meine Schnupfenmaske gerettet hat. Na, wir werden sehen….

9 Tage vorüber. Alle unsere Testungen negativ.

Ach ja. Omikron war es nicht. DELTA.