Musik unter dem Radarschirm
Ich beklage mich nicht. Ich stelle nur fest. Ich bin Musiker, zugegebenermaßen kein besonders guter, ich bin Sänger, zugegebenermaßen kein guter, speziell durch meine Schwerhörigkeit, wodurch ich auf Hörgeräte angewiesen bin und meinen Ton oft selber nicht recht wahrnehmen kann. Ich bin Liedermacher, zugegebenermaßen kein bekannter, weil ich kaum in der Öffentlichkeit auftauche. Und doch habe ich etwas geschaffen, worum mich viele beneiden würden, wenn sie es überhaupt wüssten. Aber mein musikalisches Oeuvre geht unter dem Radarschirm unbeachtet durch.
Und wozu mache ich das dann, wenn mich eh niemand kennt und hören will? Ganz einfach, weil es aus mir heraus sprudelt und es mir Zufriedenheit und Dankbarkeit gibt.
Und doch bin ich nicht zufrieden. Und hier kommt meine Schizophrenie ins Spiel. Ein Musiker, ein kreativer Kopf muss in die Öffentlichkeit, um sein Werk vorzustellen und bekanntzumachen und den Menschen die Möglichkeit zu geben, die Musik, die Lieder zu bewerten, zu mögen oder zu kritisieren und abzulehnen. Und das ist genau der Punkt. Davor habe ich Angst, das könnte ich nicht ertragen, dass die Leute sagen, mach was anderes, aber lass die Hände von der Musik. Das habe ich tatsächlich schon erlebt, dass anonyme Posts das geschrieben haben (nach der Veröffentlichung eines Liedes auf Youtube). Ich kann auch nicht ertragen, dass Leute sagen: Jetzt muss er sich wieder wichtigmachen und in der Öffentlichkeit stehen. Deshalb scheue ich den Weg in die Öffentlichkeit. Was sagt das über mich aus? dass ich kein Selbstvertrauen habe? Irgendwie stimmt das auch, irgendwie auch nicht, denn ich bin von meiner Musik und meinen Liedern überzeugt, habe aber oft schon erlebt, dass andere Menschen einfach einen anderen Musikgeschmack haben, dass die Bässe dröhnen müssen und der Rhythmus dominant ist. Bei mir sind es einfache Melodien, die mich faszinieren, die ich mit meinen Texten garniere.
Ich habe auch erlebt, dass heutzutage das Unperfekte keinen Platz mehr hat. Und ich bin nicht perfekt. Weder im Rhythmus noch in der Tonhöhe. Mein Vorgesetzter sagte einmal zu mir, bei ihm beginnt die Musik erst mit der Hundertstel-Note. Das trage ich als Trauma mit mir rum.
Ich bin 71 Jahre, und ich werde den Weg in die Öffentlichkeit nicht mehr gehen. In „meiner Schublade“ modern an die 300 Lieder und Musikstücke dahin, die zwar mich beglücken und auch meinen Schatz, aber anderen sind die einfach egal. Leider auch meinen Familienmitgliedern. Ich habe eigentlich nie eine Unterstützung erfahren, dass jemand gesagt hätte: Komm, das musst du veröffentlichen. Ein solcher Impuls von außen hätte vielleicht geholfen, meine Songs bekannt(er) zu machen. Aber eigentlich habe ich immer das Gefühl, dass mein Umfeld sich dafür schämt, wenn ich den Weg in die Öffentlichkeit ginge.
Dasselbe habe ich ja auch ähnlich schon erlebt, wenn ich an den BR (Bayrischen Rundfunk) geschrieben habe, um ein Lied vorzustellen. Weder der BR noch Radio Salzburg haben je zurückgeschrieben.
Mit meiner Musik Geld zu verdienen, das war vielleicht einmal ein Ansatz, den ich aber relativ schnell ad acta gelegt habe. Da wäre ich in einem Wettbewerb, der mich fertigmachen würde, den ich einfach nicht mag. Lieder professionell aufnehmen und verkaufen – wozu? Eine wahnsinnige Investition – wo ich nicht glaube, dass sich so etwas amortisieren würde. Selbstständig etwas auf die Beine zu stellen — da geht es mir wie mit meinen Erzählungen, Texten, kurz Büchern. Ich bewundere alle, die es schaffen, entweder einen Verlag aufzutreiben oder selbst Werke zu vermarkten. Ich habe dazu nicht den Mut, nicht das Knowhow, nicht die Ausdauer.
Natürlich würde ich mich über positives Feedback zu meinen Liedern freuen. Natürlich würde ich mich freuen, meine Lieder in den Medien zu hören, entweder von mir oder anderen interpretiert (nach meinen Vorstellungen). Aber das ist das Verwerfliche bei der ganzen Sache, was mich aushebelt und unbrauchbar macht: Die Kritisiersucht unserer Gesellschaft dürfte auf mein Werk keinen Zugriff kriegen. Einfach wertschätzen, was mir geschenkt wurde – leider gibt es das nicht – hat es so etwas jemals gegeben?
Ich bin ein Eigenbrötler, was Musik betrifft. Es ist für mich ein Nogo, mit anderen andere Musik zu spielen und meine Songs bleiben in der Schublade. Und ich habe nicht das Gefühl, dass irgendein Musiker Gefallen daran findet, mit mir Lieder von mir einzuüben, öffentlich zu spielen. Da müssen es vor allem bekannte Schlager oder Popsongs sein. Musiker sind aber auch Egos, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Auch ich bin in dieser Hinsicht ein Ego. Ein Glück, wenn sich welche finden, die sich für ein solches gemeinsames Projekt begeistern könnten, ohne auf Vermarktung und Profit zu schauen.
Meine Lebenszeit wird kürzer. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in der Öffentlichkeit auftauche, geringer und geringer. Und irgendwann bin ich nicht mehr da. Und dann gibt es meine Lieder auch nicht mehr. Wer soll sich meine mp3 Aufnahmen noch anhören, wer soll meine Texte und Noten lesen…? Aber ich weiß, es wird dann auch niemandem abgehen. Das ist zwar schade, aber das wird so sein.
Es könnte aber auch sein, dass irgendjemand zum Goldgräber wird und meine Schublade dann öffnet. Und dann heißt es möglicherweise: Warum haben wir das früher nicht mitbekommen? Ich weiß, das liegt alles in meiner Hand, aber Stand jetzt werde ich damit leben und sterben.
Ich weiß aber auch nicht, ob es ein Glück für mich wäre, wenn sich irgendjemand, ein Reporter (Fernsehen / Zeitung) / Produzent mit meinem Werk auseinandersetzen würde und ihm die Wertschätzung vermitteln könnte, die es in meinen Augen verdient hätte. Ich bin überzeugt, dass es trotzdem viele Menschen geben würde, denen meine Musik / meine Lieder gefallen würden. Doch wie kann ich diese rausfiltern. Sie könnten über meine Homepage Bekanntschaft mit meinem Werk machen. Aber da müsste die Homepage erst beworben werden. Ein nie endender und nie zu gewinnender Teufelskreis.
Das ist meine Schizophrenie, die in meiner Persönlichkeitsstruktur verankert ist. Ich beklage mich nicht, ich musste mir das einfach mal von der Seele schreiben.
p.s. Viele Künstler klagen über die Corona-Pandemie. Das hat mit mir gar nichts zu tun. Ich bin glücklich, die Musik als Pandemie-Therapie zu haben. Mein Problem – ja es ist im Moment ein Problem- hat damit überhaupt nichts zu tun!!